mies v.d. rohe- iit chicago, campus & einzelbautenseminar mit tobias büttner, ls. prof. w.nerdinger

aufgrund fehlender bildrechte wird gegenüber der original-seminararbeit auf ca. 60 abbildungen verzichtet, die dargestellten abbildungen sind sämtlich von den verfassern erstellt!
 
Inhaltsangabe:
1. Vorwort
2. Der Weg in die USA

2.1 Ausgangssituation in Deutschland

2.2 Übertritt in die USA

2.3 Aufnahme der Tätigkeit am Armour Institute  

3. Planungen für das IIT

3.1. Städtebauliche Planungen

3.1.1 Vorentwürfe für das Campusgelände

3.1.2 Masterplan für das IIT

3.1.3 Ausführung der Planung

3.2. Gebäudeplanungen

3.2.1 Minerals and Metals Research Institute (1942/43)

3.2.2 Alumni Hall (-„Navy Building“, 1945)

3.2.3 weitere Gebäudeplanungen

4. Weggang Mies van der Rohes vom IIT
5. Heutige Situation und Ausblick
Anhang:  

Vorwort 
Die Auswanderung Mies van der Rohes in die USA und seine amerikanischen Bauten stellen einen neuen Abschnitt in seiner Entwicklung, aber auch eine „neuartige“ Form von Architek­tur dar. Für 30 Jahre dominierte der „Internationale Stil“, den Mies nach seiner Übersiedelung ausformulierte, die Weltarchitektur: „Mies' Herrschaft über die Architektur nach dem zweiten Weltkrieg läßt sich zum einen ermessen, wie sich Skylines in allen Großstädten der Welt dem Prinzip der Gradlinigkeit anpaßten, zum anderen an dem Ausmaß der Rebellion, die sich nach seinem Tode [...] gegen seine Prinzipien erhob.“1 Insbesondere die Bauten für das IIT zeigen diesen architektonischen, wie politischen Wende­punkt. Mies setzte sich mit seiner alten und mit seiner neuen Heimat auseinander, entwickelte sein Bauen formal weiter, vor allem durch äußerste Reduktion und perfekte Konstruktion, verliert aber gleichzeitig andere Inhalte und führt die „Moderne ohne Utopie“ an. Die verchromte, ummantelte Kreuzstütze wich der einfachen I-Stütze, die auf sauberste bearbeitet und angeschlossen wurde. Themen wie Stapelung werden stärker verfolgt, ein Maßstabssprung findet statt. Auch ist das amerikanische Werk von einer starken klassizistischen Haltung geprägt. Die vorliegende Arbeit versucht aufzuzeigen, welche Rahmenbedingungen zu dieser Veränderung im Schaffen Mies' geführt haben und was den neuen Stil ausmacht. Um ein abgrenzbares Themenfeld zu erhalten, sind die städtebaulichen Analysen auf den Abriß der wichtigsten Entwicklungsstadien in der Gesamtplanung reduziert, die Analyse des Masterplans beschränken sich auf die Wissenschaftsbauten im Campus-Kern, die Gebäudeanalysen beschreiben typische Bauten des IIT: Das Minerals and Metals Research Institute von 1942/43
und die Alumni Hall von 1945. Weitere, bedeutende Bauten werden nur kurz charakterisiert.

 

    Ausgangssituation in Deutschland 
Die dreißiger Jahre haben für Mies van der Rohe mit dem Aufstieg zum Direktor des Bauhauses Dessau in der Nachfolge von Hannes Mayer (1889-1954) begonnen. 1931 wurde Mies in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen, außerdem wurde er Direktor des Deutschen Werkbundes. Im gleichen Jahr übernahmen die Nationalsozialisten die Mehrheit im Dessauer Stadtparlament und beschlossen, das Bauhaus aufzulösen. Mies entschloß sich, die öffentliche Einrichtung zur Privatschule umzuformen und sie ins unruhige Berlin zu verlegen, hier sei die Schule seine Meinung nach nicht so auffällig wie im kleinen Dessau. Ein halbes Jahr später, am 11. April 1933, schlossen die Nationalsozialisten das nun umgezogene Berliner Bauhaus.  Die Auswirkungen der Machtergreifung 1933 schätzte er völlig falsch ein. Er wurde gemieden, lebt von alten Kontakten. Zwischen 1933 und 1938 erhielt Mies nur vier Aufträge in Deutschland: ein Fabrikgebäude für die Seidenindustrie in Krefeld (Verseidag, 1932/33), das Haus Ulrich Lange in Krefeld (1935), das Haus Hubbe in Magdeburg (1935) und ein Verwaltungsgebäude für die Seidenindustrie in Krefeld (1937). Auffällig an dem Verwaltungsgebäude ist die vorher für ihn völlig untypische, strenge Symmetrie, die von nun an in seinem Werk in den Vordergrund tritt. Von den vier wurden nur die ersten zwei Projekte realisiert. Wettbewerbsentwürfe für den Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung Brüssel 1934 und der Entwurf für die Reichsbank in Berlin (1933) wurden abgelehnt, auch wenn sich Mies dort immerhin in der engeren Wahl der letzten sechs Teilnehmer befunden hat. Auch hier taucht eine Spiegelsymmetrie auf. Der Entwurf des deutschen Pavilions zur Weltausstellung 1934 zeigt außerdem, daß Mies seine Architektur formal an NS-Bilder anzupassen versucht. Seine Haupteinkunft bestand aus Lizenseinnahmen für die früher von ihm entworfenen Metallmöbel. Er beschäftigte sich mit Entwürfen, die ihn persönlich interessierten, dazu gehören diverse Hofhäuser und ein Haus in den Alpen. Durch eine Reihe von Patentverletzungen wurde die Tantiemen aus den Möbel-Lizenzen gegen Ende der dreißiger Jahre immer spärlicher, als sich Mies durch Prozesse dagegen wehrte, ergingen -sicherlich auch politisch bewirkte- Urteile zu seinen Ungunsten2. Mit der Zeit muß Mies wirtschaftliche Situation und mangelnde gesellschaftliche Anerkennung ihn immer mehr den Abschied von Deutschland erleichtert haben.

Übertritt in die USA  Es wird vielfach behauptet, Mies hätte zwar seine Ideen nur in den USA verwirklichen können, aber nur Europa hätte eine Persönlichkeit wie ihn hervorbringen können.3  Mies war durch seine Projekte und Bauten der zwanziger Jahre auch in den USA bekannt geworden, 1932 organisierte Philip Johnson eine Ausstellungen über moderne Architektur im Museum of Modern Arts. Mies war einer der Stars der Ausstellung und erhielt 1935 eine erste Anfrage vom Mills College, Oakland. Noch lehnte Mies solche Angebote ab, da er hoffte, in Deutschland die Textilausstellung 1937 zu planen. 1936 fragte das Armour Institute Chicago erstmals an. Eine zweite, aufsehenerregende Ausstellung von Mies Werk fand 1936 im New Yorker Museum of Modern Arts statt. Zum nächsten Kontakt kam es im gleichen Jahr durch ein Treffen mit Joseph Hudnut, dem Dekan der Harvard University. Hudnut sprach mit Mies über die Leitung an der Graduate Design School von Harvard. In der engeren Wahl für den Posten waren auch Walter Gropius und Peter Oud. Die Gestaltung der Textilausstellung 1937 wurde auf Weisung Hermann Görings an Ernst Sagebiel übertragen, Mies wurde aufgefordert, die preußische Akademie zu verlassen. Gleichzeitig zu den immer mehr ausbleibenden Wirkungsmöglichkeiten in Deutschland kamen neue Anfragen und Auftragsoptionen aus den USA. So reiste Mies von Sommer 1937 bis Frühjahr 1938 in die USA. Dort besuchte er unter anderem zwei Wochen Frank Lloyd Wright auf Talessin, Wisconsin. Er traf sich auch mit John Holabird, einem einflußreichen Architekt in Chicago, der gute Kontakte zu Armour Institute hatte. Weiterhin beschäftigte Mies ein Entwurf für Mr. und Mrs. Stanley Resor, Kuratoriumsmitglieder der Architekturabteilung von Harvard, die ihm ein Landhaus in Jackson Hole, Wyoming in Auftrag gaben.   Das Armour Institute („AIT“) als einer der zwei Vorgänger, aus denen das IIT 1941 gegründet wurde, war eine Technische Hochschule im südlichen Chicago. Es bestand aus einem „7 acre, 5 building campus“4, vornehmlich klassizistische Gebäude vom Ende des 19. Jahrhunderts. Um die Anlage herum war das Slum-Gebiet der Near South Side. Das Armour Institute besaß nur eine kleine Architekturabteilung, auf die auch innerhalb des Institutes ein keine besonderes Augenmerk gelegt wurde. Die Räume der Fakultät waren unter dem Dach untergebracht, die architektonische Lehre war weder innerhalb der USA noch international auf der Höhe der Zeit. Die Moderne der zwanziger Jahre hatte man verschlafen, allerdings war die Architekturausbildung in den USA ohnehin orientiert an Klassizistik und Historismus. Andere AIT-Fakultäten, die für Rüstung und Kriegstechnik wichtig waren, wurden von Staat und Wirtschaft bevorzugt. Das bescherte zusätzlich einen Bedeutungsverlust für die Architekturabteilung. Der Präsident des AIT, Henry T. Heald kämpfte ständig gegen diese Vormacht von Industrie und Militär an seiner Hochschule. Es fehlen in der Fakultät sowohl die Köpfe als auch Konzepte, einen Neuanfang zu erreichen, insofern eine mißliche Lage. Auch die spätere Zusammenlegung von „Armour Institute“ und dem „Lewis Institute“ zum „Illinois Institute of Technology“ („IIT“) im Jahre 1940 ist Ausdruck des Versuchs, die Hochschule in ihrer Bedeutung wieder zu stärken.Das Dekanat des Armour Institutes fragte wie das von Harvard bei Gropius und Oud um eine Professur an, diese lehnten jedoch ab. Der Präsident Henry T. Heald, ein großer Bewunderer von Mies´ Architektur, bot auch Mies 1936 den Posten an, was dieser vorerst zurückhaltend zu Kenntnis nahm. Die Freiheiten, die ihm für seine Lehrtätigkeit zugestand wurden, waren Mies nicht ausreichend. Das Interesse des Armour Institutes blieb groß, so daß man auch weitere Zugeständnisse an Mies machen wollte. Nun verstärkten wohl zwei Faktoren das Interesse von Mies am Posten: Einerseits wurde sein Entwurf für das Museum of Modern Arts New York abgelehnt, welchen er mit Hilfe der ehemaligen Bauhaus-Schüler Priestley und Rogers eingereicht hatte. Andererseits interessierte sich Harvard eher an Walter Gropius als , was Mies brüskierte. 1937/38 sandte er aus New York einen voll erarbeiteten Lehrplan an Heald. Das Armour akzeptierte den Lehrplan, Mies sagt der Berufung zu und wurde Direktor der Fakultät für Architektur am Armour Institute. Nur für kurze Zeit kehrte Mies 1938 nach Deutschland zurück, um die nötigsten Geschäfte zu regeln. Er verabschiedete sich endgültig von seiner Familie und Lilly Reich, der Lebensgefährtin, der er auch das Büroarchiv seiner Zeit in Deutschland treuhänderisch überließ. 1938 kam Mies endgültig in den USA an, er wohnte die erste Zeit im Hotel. In der Michigan Street, direkt gegenüber vom Art Institute von Louis Sullivan, eröffnete er sein Büro. In der Literatur wird häufig darüber spekuliert, warum Mies van der Rohe seinen neuen Wirkungskreis ausgerechnet nach Chicago verlegte. Daß die Chicagoer Moderne mit Louis Sullivan an der Wahl beteiligt war, stritt Mies ab. Er zeigte kein Interesse: „Sullivan believed façade!“ Jede Vermutung von Beeinflussung wehrte mit der Bemerkung ab, er würde die Chicago School überhaupt nicht kennen. Die Gebäude der Chicagoer Schule, die er jeden Tag bei der Fahrt mit dem Taxi zum IIT passierte, nahm er –angeblich- nicht zur Kenntniss, insbesondere Sullivans Bauten mißfielen Mies durch ihr üppiges Mauerwerk und die Ornamentik. Dennoch scheint zumindest der „Chicago Frame“ und seine Anwendung großen Einfluss auf Mies gehabt zu haben, er nutzt ihn von Anfang an.

Aufnahme der Tätigkeit am Armour Institute  Am 18.10.1938 hielt der (noch) mit Mies befreundete Frank Lloyd Wright eine Rede zum Antritt Mies' als Leiter der Architekturabteilung des IIT. Vor der geladenen Menge spricht er:  „...Meine Damen und Herren, ich gebe ihnen Mies van der Rohe. Ohne mich gäbe es keinen Mies- ganz gewiß nicht hier und heute. Ich bewundere ihn als Architekt, respektiere ihn als Mensch. Ar­mour Institute, ich gebe dir Mies van der Rohe. Behandle ihn gut und liebe ihn so wie ich. Er wird es dir vergelten. (Ihr braucht ihn, weiß Gott!)“5 Zusammen mit seinem Mitarbeiter Ludwig Hilberseimer, der die ersten Jahre die Funktion als Übersetzer übernahm, nahm Mies seine Lehre am IIT auf. Bis 1941 geschah dies in deutscher Sprache. Danach löste sich Mies von der Muttersprache wie von der deutschen Heimat, akzeptierte sogar die Zerstörung von Deutschland und wurde 1944 schließlich amerikanischer Staatsbürger.Mies fehlten in den Anfangsjahren Kontakte in die USA, seine ersten freien Aufträge erhielt er erst 1947/48, so daß er seinen Lebensunterhalt aus der Professur und der Planung für die IIT- Bauten bestritt. Den Entwürfen für den Campus und die Bauten gingen Studentenwettbewerbe und Vorstudien und Entwürfe in seinem Büro voraus. Daraus entwickelte sich langsam der Masterplan und der Formenschatz für die Bauausführung. In Zusammenarbeit mit seinen Bauhaus-Kollegen Hilberseimer und Peterhans sowie mit seinem ehemaligen Bauhaus Schüler Rogers entwickelte Mies den neuen Lehrplan für das IIT:Hier stehen der Grundlagenvermittlung von Mathematik, Naturwissenschaften und soziologischem Grundwissen die speziellere Vermittlung von zeichnerischem Können, strukturellen Entwerfen, Haustechnik und wirtschaftlichen Grundlagen gegenüber. Hinzu kommen detaillierte Lehren von Mitteln und Materialien (Means), Funktion und Gebäudetypen (Purposes) und Epochen, Ordnungsprinzipien und Architekturformen (Planing and creating). Insgesamt zeigt sich im Lehrplan eine starke autobiographische Prägung, die in chronologischer Abfolge sein Lernen und Lehren an der Domschule Aachen, seine Bürotätigkeit bis hin zu seiner Bauhausprofessur reicht. Aber auch die Persönlichkeit des Lernenden soll entwickelt werden. Ethische Ziele stehen für Mies zur Vermittlung an, eine Ausbildung alleine zur praktischen Fähigkeit reicht ihm nicht aus. Mies äußert sich zu seiner Architekturlehre folgendermaßen:

  „Durch Vermittlung des erforderlichen Wissens und Könnens will die Baulehre der Architekturabteilung Architekten heranbilden; durch seine Erziehung aber den Menschen formen, ihn befähigen, von dem erworbenen Wissen und Können den rechten Gebrauch zu machen. Die Lehre zielt daher auf Zwecke, die Erziehung aber auf Werte. Denn der Sinn der Erziehung ist, zu bilden und zu verpflichten. Sie soll der Unverbindlichkeit der Meinung die Verbindlichkeit der Einsicht entgegenstellen, aus dem Bereich des Zufalls und der Willkür in die klare Gesetzmäßigkeit einer geistigen Ordnung führen. Baukunst wurzelt mit ihren einfachsten Gestaltungen noch ganz im Zweckhaften, reicht aber hinauf über alle Wertstufen bis in den höchsten Bereich geistigen Seins, in die Sphäre der reinen Kunst. Von dieser Einsicht muß jede Baulehre ausgehen. Schritt für Schritt soll sie deutlich machen, was möglich, notwendig und was sinnvoll ist. Daher sind die einzelnen Unterrichtsgebiete so miteinander verbunden, daß sie auf jeder Stufe eine organische Ordnung ergeben und die Studierenden immer das ganze Gebiet des Bauens in seinem vollen Zusammenhänge kennen und bearbeiten lassen.Neben der wissenschaftlichen Ausbildung sollen die Studierenden zunächst zeichnen lernen zur Beherrschung der technischen Ausdrucksmittel und zur Schulung von Auge und Hand. Durch Übungen soll ihnen ein Gefühl für Proportion, Struktur, Form und Material übermittelt, ihr Zusammenhang und ihre Ausdrucksmöglichkeit geklärt werden. Dann sollen die Studierenden mit den Materialien und Konstruktionen einfacher Holz-, Stein- und Ziegelbauten bekannt gemacht werden; anschließend daran mit den konstruktiven Möglichkeiten des Eisen- und Eisenbetonbaus. Gleichzeitig sollen sie dabei den sinnvollen Zusammenhang dieser Elemente des Bauens, ihren unmittelbaren formalen Ausdruck kennenlernen. Jedes Material, gleichgültig, ob natürliches oder künstliches, besitzt besondere Eigenschaften, die man kennen muß, um mit ihnen arbeiten zu können. Neue Materialien und auch neue Konstruktionen sichern an sich noch keine Überlegenheit. Entscheidend ist der rechte Umgang mit ihnen. Jeder Stoff ist nur das wert, was man aus ihm zu machen versteht. Der Erkenntnis der Materialien und Konstruktionen schließt sich die der Zwecke an. Sie sollen klar analysiert, ihr Inhalt erkannt werden. Es soll anschaulich gemacht werden, warum und worin sich eine Bauaufgabe von der anderen unterscheidet; worin ihr wirkliches Wesen besteht. Eine Einführung in die Probleme des Städtebaues soll deren Grundlagen übermitteln und die Verbundenheit allen Bauens, seine Beziehungen zu dem städtischen Organismus deutlich machen. Zuletzt und als Synthese der ganzen Lehre erfolgt eine Einführung in die künstlerischen Grundlagen des Bauens, in das Wesen des künstlerischen, die Art und Anwendung seiner Mittel und seine Verwirklichung im Bauwerk. Im Zusammenhang mit dem Studium soll aber auch die geistige Situation unserer Epoche, in deren Abhängigkeit wir uns befinden, geklärt werden. Es soll erforscht werden, worin unsere Epoche mit den früheren übereinstimmt und worin sie sich in materieller und geistiger Hinsicht unterscheidet. Darum sollen auch die Bauten der Vergangenheit studiert, eine lebendige Anschauung von ihnen vermittelt werden. Nicht nur um an ihrer Größe und Bedeutung einen architektonischen Maßstab zu gewinnen, sondern auch der Einsicht wegen, daß sie an eine bestimmte unwiederholbare historische Situation gebunden sind und daher zu eigenen schöpferischen Leistungen verpflichten. „6

Der Planung für das IIT-Gelände, wie es ausgeführt wurde, gingen Entwürfe voraus, die schon vor Mies' Ankunft am IIT bestanden. Alfred Alschuler, ein Lehrstuhlinhaber am Armour Institute, hatte schon eine Planung für den neuen Campus erstellt. Vorgesehen war eine eher klassizistische Anlage mit vereinfachtem Dekor, klaren Platz- und Achsbildungen sowie Beibehalten von einzelnen Bauten des Bestands, die Planung war vom Dekan Heald bereits „genehmigt“. Anfang 1939, angeblich ohne von Alschulers Entwurf zu wissen, aber in Absprache mit Heald bereitete Mies seine Planung vor, um sie im fertigen Zustand aus der Schublade zu ziehen und zu brillieren8.Der Gesundheitszustand Alfred Alschulers war zu diesem Zeitpunkt schon sehr schlecht, als Alschuler 1940 starb- angeblich ohne Wissen Mies'- legte dieser seinen erarbeiteten Vorschlag vor. Das Armour entschied sich für Mies van der Rohes Entwurf, der Alschuler-Plan wurde verworfen, was ganz im Sinne Healds war.

Vorentwürfe für das Campusgelände Die Planungsstadien des Campusgeländes sind in ihrem chronologischen Ablauf schwer nachzuvollziehen wegen der großen Menge an undatierten Planunterlagen und den wenigen Aussagen Mies van der Rohes. Einen Anfang stellen mit Sicherheit die Photographien von mehreren städtebaulichen Modellen dar. Es handelt sich hier um Studentenarbeiten, die innerhalb eines Kurses von Mies am Armour Institute (IIT) angefertigt wurden. Die Aufgabe bestand darin, im Jackson Park - un­weit der späteren IIT–Planungen - auf der South Side Chicagos die zukünftigen Campusbauten frei vom strengen Straßenraster der Stadt anzuordnen. Auffällig sind dabei zwei verschiedene Gestaltungsprinzipien, die Mies Wendepunkt zwischen Europa und Amerika wiederspiegeln. Bei einem der Modelle handelt es sich um eine asymmetrische, kammartig verschränkte Aufreihung der Institute mit einem flachen, quadratischen Hauptbau am Ende. Das andere Modell stellt eine symmetrische Anlage mit einem offenen, zentralen Platz dar, dominiert durch die zwei Hauptgebäude und ergänzt durch zwei weitere Plätze.Diese Symmetrie wird bestimmend für das Projekt des IIT und zieht sich sogar bis in die innere Organisation der Campusgebäude fort. Die Studentenarbeiten zeigen somit die Veränderung zwischen der europäischen Phase der asymmetrischen Kompositionen und der kommenden amerikanischen Phase der strengen, axialen Ordnungen, wobei das IIT noch beide Gestaltkriterien in sich trägt, wie sich später zeigt.Die eigentliche Vorplanung von Mies besteht aus einer Vielzahl von verschiedenen Plänen und Perspektiven, deren Chronologie und thematischen Ablauf sich uns heute nicht mehr vollständig erschließt und eine sprunghafte Entwicklung in kurzer Zeit vermuten läßt.Eine der ersten Schritte für Mies war das Auflassen der Federal Street und der Dearborn Street, um zwei große Stadtquartiere zu erhalten. Dies fällt bei dem späteren Masterplan bis auf Teile insbesondere bei der Dearborn Street weg, weil die Stadt Chicago die Genehmigung für dieses Unterfangen verweigerte.   Des weiteren finden sich bei allen Plänen die oben erwähnte Axialität im Bezug zur 33rd. Street, sowie der über beide Blöcke reichende, zentrale Platz. Nur bei einer Planungsvariante rücken statt dessen zwei große Flachbauten in das Zentrum. Alschulers Beaux-Arts-Entwurf zeigt in diesen Punkten Parallelen zu Mies IIT-Planungen, die aber auf keinerlei Rückschlüsse folgern lassen.Ein bemerkenswertes Stadium stellt der Entwurf 4000.144 dar, in dem vier paarweise verbundene Hausscheiben als Torbauten Richtung State Street den Zentralplatz begrenzen. Die thematische Ähnlichkeit zwischen der Rückansicht des Reichsbankentwurfs von 1933 und den Gebäuden ist augenfällig. Dieses Konzept der Scheiben wird jedoch später durch zwei lange Riegel ersetzt, die parallel zur State Street laufen und eine Eingangssituation zum Platz hin schaffen, in dem sie durch das Heranrücken an die 33rd. Street eine Raumpressung bewirken. Der daraus folgende Überraschungseffekt beim Eintritt durch die 33rd. Street in einen offenen Platzraum begründet sich durch das strenge Straßenraster Chicagos. Der freie Umgang mit dem Stadtraum und seinen öffentlichen Plätzen war ein Novum in den eng besetzten Zellen des Rasters, die teilweise nur noch die Möglichkeit boten in die Höhe zu gehen und dort eine Differenzierung zu suchen. In der weiteren Ausarbeitung werden aus den Riegeln Gebäudegruppen, die einen zusätzlichen Vorbereich zur State Street hin formulieren. Diese Konstellation stellt die Basis des späteren Masterplans dar. Eine Konstante der gesamten Projektierung sind die Gebäudetypen. Es handelt sich um rechteckige Rahmenbauten mit höchstens drei bis vier Stockwerken, die mit Fassaden aus Backstein und Glas versehen sind und deren strenge Rasterstrukturen aus Stahl- oder Stahlbetonrahmen ablesbar ist. Die Gebäude sind mit Flachdächern bündig abgeschlossen und im Sockelgeschoß teils aufgeständert oder zurückgesetzt. Aus Finanzknappheit, welche die Planung mitunter stark bestimmte, wurden daraus in der Ausführung plan durchlaufende Fassaden.Im Unterschied zum Masterplan werden die Auditorien und Vorlesungssäle in diesem Stadium teils ausgegliedert und skulptural bearbeitet, sie unterscheiden sich dadurch von der strengen rechtwinkligen Ordnung der übrigen Gebäude, denen teilweise noch kubisch geformte Treppenhäuser angesetzt werden. Die Formensprache erinnert an Industriebauten der Weimarer Zeit und seinen Entwurf für die Krefelder Seidenfabrik. Mies „sought to give it (dem IIT-Project-Anmerkung Verfasser) an impersonal look and a clearly structural character, both strikingly reminiscent of German factory buildings.“10Zu der Strategie, in einem Masterplan den Formenkanon für mehrere Jahrzehnte aufzustellen, äußert sich Mies: „Davor war mir nicht bange. Sie würden aus zwei Gründen nicht aus der Mode kommen: Ihr Konzept ist gleichzeitig radikal und konservativ. Es ist radikal, weil es die wissenschaftlichen und technischen Trag- und Triebkräfte unserer Zeit bejaht. Es hat zwar einen wissenschaftlichen Charakter, ist aber nicht Wissenschaft. Es bedient sich technischer Mittel, ist aber nicht Technologie. Es ist konservativ, weil es nicht nur einem Zweck, sondern auch einem Sinn dient, und es unterwirft sich nicht nur einer Funktion, sondern auch einem Ausdruck. Es ist konservativ, weil es auf den ewigen Gesetzen der Architektur beruht: Ordnung, Raum, Proportion.“11Diese Vorstellung von Architektur und deren Resultat sollte die sich wegen Geldmangel abzeichnende, stückweise Realisierung ermöglichen, ohne dabei eine veraltete Architektur oder Brüche durch Neuplanungen zu erhalten.Zusätzlich gab es den Wunsch seitens der Stadt und des Armour Institute, das verslumte Viertel, in dem der Campus sich befand, durch eine neuartige Bebauung aufzuwerten und damit das gesamte Gebiet in seiner Qualität anzuheben.

Masterplan für das IIT (1941)  Der Ausführungsplan für den Campus des IIT basiert auf einem Grundraster von 24 Fuß mal 24 Fuß mit einem halben Raster von 12 Fuß als Höhenstaffelung für die Geschosse, dies entspricht 7.32 x 7.32 x 3.66 Metern. Die Rastergröße war Ergebnis einer internen Untersuchung für geeignete Maße von Institutsäumen, die an der Schule durchgeführt wurde.  „12 Fuß entsprachen der Normgröße amerikanischer Unterrichtsräume und Laboratorien, und die Anwendung des Moduls ermöglichte einheitliche und daher billigere Bauteile, die sich in vielfältiger Weise einsetzen ließen. Hinzu kam, daß ein so großes Projekt erst im Laufe von Jahren beendet sein würde, was bedeutet, daß spätere Ergänzungen von anderen Architekten hinzugefügt werden müßten. Das Rastersystem entsprach also nicht nur den herrschenden ökonomischen Verhältnissen, sondern sicherte auch für die Zukunft die architektonische Einheit.“15Die Verwendung eines strengen Grundrasters, das sich auch in den Vorentwürfen zeigt, ist neu für Mies architektonisches Schaffen und spiegelt genauso wie die Verwendung der Axialität die stärkere Hinwendung zu Gedanken über Ordnung und Gestalt wieder. Diese Entwicklung kann bis in das Innere der Gebäude nachvollzogen werden. Folge davon ist der Verlust fließender Raumübergänge innerhalb der Bauten mit Hilfe freier Wandscheiben, vergleichbar dem Barcelona Pavillon. Äußere Bedingungen für diesen Wandel könnten mitunter das eng gesteckte Raumprogramm der zwei grundsätzlichen Raumtypen sein, bestehend einerseits aus der Gruppe der Lehrräume andererseits aus Auditorien und Hörsälen. Im Zusammenhang mit der Knappheit der finanziellen Mittel und der daraus folgenden intensiven Raumausnutzung könnte sich Mies zur Aufgabe des Prinzips des Raumflusses entschieden haben. Dies begründet aber nicht die teils sogar unfunktionale Stringenz seiner Anwendung der Axialität im Grundriß, die sich ebenfalls im späteren Werk ausprägt. Was jedoch Mies mit seinem System der freien Wandscheiben innerhalb seiner Gebäude aufgegeben hat, findet sich infolge eines Maßstabsprungs auf städtebaulicher Ebene wieder. Die Gebäude sind auf einfache, bündige Kuben mit ein bis drei Stockwerken reduziert, deren Proportionen entweder langgestreckt oder gestaucht sind. Sie entsprechen den Wandscheiben der früheren europäischen Bauten und verhalten sich auch entsprechend deren Raumfigur. Im Unterschied dazu wird aber eine Symmetrieachse entlang der 33rd. Street eingeführt, wodurch die eigentlich asymmetrischen Felder der gegenüberliegenden Seiten aufeinander bezogen werden. Die Verknüpfung dieser beiden Themen in einem Projekt ist in Mies Werk eine Neuheit und steht stellvertretend, wie schon vorher erwähnt, für einen Wendepunkt.   Ein interessanter Vergleich liegt in der Gegenüberstellung IIT Masterplan mit einer klassizistischen Platzanlage, beispielhaft dem Königsplatz in München von Leo von Klenze. Beide Architekten hatten die Schwierigkeit, in ein gegebenes, strenges Straßenraster einen Platz einzubinden, die sich loslöst von den rigiden Voraussetzungen der städtebaulichen Gegebenheiten. In München handelt es sich um die Maxvorstadt, geschaffen durch Carl von Fischer und Friedrich Ludwig von Sckell um 1800. Das Ergebnis Klenzes und Mies kommt dadurch zu parallelen Schlußfolgerungen, die teils durch den Widerspruch zur Umgebung entstanden und sich als ein Ergebnis der gleichen Grundbedingungen generieren. Zum einen besitzen beide Projekte eine zentrale Achse, an die eine Torsituation mit Vorbereich gebunden ist. Mies verwendet dazu zwei flache Bauten entlang der State Street, die einen Vorplatz im Zusammenhang mit zwei hohen Riegeln definieren. Diese Stangen übernehmen einerseits die Aufgabe, Vorplatz und Platz zu trennen vergleichbar den Propyläen von Klenze, andererseits eine Eingangssituation zu schaffen, jedoch nicht durch die Öffnung eines Einzelgebäudes sondern anhand einer Raumpressung. Entgegen allen Plandarstellung von Mies gibt es eine eindeutige Vor- und Rückseite der IIT-Anlage, da die Bahntrasse mit aufgeschütteten Damm auf der Westseite eine städtebauliche Barriere bildet. Der zentralen Bereiche wird wiederum bei beiden durch zwei große, öffentliche Bauten geprägt, die von niedriger Höhe sind und rechteckige Grundrisse besitzen, in die Innenhöfe eingesetzt werden. Interessant wäre die Fragestellung, ob Mies genauso wie Klenze eine leichte Absenkung des Geländes zur Platzmitte hin geplant hatte. Es handelt sich dabei um eine Verbesserung der räumlichen Situation und war in der Ausbildung der Architekten des 19.Jahrhunderts, an der Mies noch teilnahm, ein Standard in der Lehre der Raumproportionierung. Eine Proportionierung der Räume läßt sich ebenfalls in der Dimensionierung der Campusplätze wiederfinden. Im Unterschied zu München waren auf der anderen Platzseite des IIT zwei weitere hohe Riegel als Raumabschluß geplant. Als Anmerkung sei aber noch erwähnt, daß auch in den Vorplanungen Klenzes eine stärkere Raumbegrenzung gedacht war, jedoch nie ausgeführt wurde. Auf dem großen Platz des IITs stehend, könnte man nun die Diagonalbeziehungen zu den Nebenplätzen wahrnehmen. Mies verknüpft dabei zentrale Raumgestaltung und fließenden Raumübergänge, wie anfangs schon bemerkt. So behalten die Freiflächen ihre klare Hierarchisierung untereinander bei, werden aber offen miteinander verbunden. Dadurch entsteht eine Raumfolge von großen, öffentlichen und kleinen, halböffentlichen Bereichen, die der Gesamtanlage die Strenge der Konzeption nehmen. Gerade hier zeigt sich die Differenz zu Klenzes Königsplatz, denn bei ihm handelt es sich um an den Hauptplatz angegliederte Raumnischen, die teils durch die Nichtausführung geplanter Bauten entstanden. Im heutigen Zustand sind diese Diagonalen jedoch durch die Freiraumgestaltung ebenfalls aufzufinden. Der Vergleich der Anlagen von Mies van der Rohe und Klenze soll jedoch nicht dazu führen, Bezüge aufzuzeigen, die es nie in dieser Form gegeben hat. Wie oben schon erwähnt wurde, soll darauf hingewiesen werden, daß im Grundsatz gleiche Umstände und Voraussetzungen ähnliche Ergebnisse zur Folge haben können. Doch verstärkte sich auch die Tendenz Mies van der Rohes seit dem Übertritt nach Amerika, Anleihen an klassizistischen Grundgedanken zu nehmen, insbesondere bei dem Werk Karl Friedrich Schinkels. Wenn man diese Entwicklung als Voraussetzung für die Planung des IITs annimmt, dürften die oben verdeutlichten Parallelen nicht überraschen. Eine weitere Qualität bekommt der IIT Masterplan durch die Auseinandersetzung mit den Rändern. Die konsequente Symmetrie im inneren Bereich weicht einer differenzierten Ausbildung der Seitenfelder. So nimmt beispielsweise der Block an der Kreuzung 35th. Street und State Street einen Riegel des benachbarten Feldes auf und wiederholt dessen Form in einer Zeilenstruktur. Prinzipiell werden in der Umgebung der 35th. Street definierte Raumkanten gebildet ganz im Gegensatz zum Bereich des Sportfelds. Dort lösen sich die räumlichen Struktur zugunsten der Freifläche der Laufbahn auf. Ein interessantes Detail ist die Negierung der vorhandenen Bebauung um das Campusgelände in den Zeichnungen. Es werden nur Grünflächen dargestellt und auf der anderen Seite der Gleisstränge findet sich ebenfalls kein einziges Gebäude, obwohl dieses Gebiet zu dieser Zeit dicht bebaut war. Anscheinend ging Mies von Prinzip des Tabula Rasa aus und ließ auf diese Weise den Kontext außen vor.

Ausführung der Planung  Für die Ausführung mußten zuerst die geeigneten Flächen bereit gestellt werden. „...; den nötigen Platz wollte man durch Ankauf und die Räumung von 45 Hektar eines Slumgebiets im Süden gewinnen.“18Durch die Beteiligung der USA am zweiten Weltkrieg waren die Möglichkeiten der Verwirklichung zuerst äußerst eingeschränkt. Rohstoffknappheit und Konzentration finanzieller Mittel auf Rüstung und Militär ermöglichten nur die Umsetzung von zwei Gebäuden bis 1945, darunter das Minerals and Metals Research Building (1942-43).Da das IIT seinen Schwerpunkt hauptsächlich im Bereich der Militär- und Industrieforschung hatte, konnte ab 1945 die hohen Subventionierungen und der damit verbundene Reichtum des Institutes in die Ausführung der Planung fließen. So folgte für eine Dekade fast jährlich ein fertiggestelltes Bauwerk.In diesem Zusammenhang ist auffällig, daß das Minerals and Metals Research Building nicht direkt im Kontext steht mit dem Masterplan des IIT, obwohl der Bau nach dem Abschluß der städtebaulichen Entwicklung verwirklicht wurde. „Er stellt weder ein Meisterwerk dar, noch verkörperte er den erst später perfektionierten IIT-Bautypus.“19 Dies deutet darauf hin, daß es sich bei diesem Bau um ein Experiment handelt, das die Möglichkeiten der Formensprache überprüfen sollte und in der Systematik des Campus noch keinen festen Platz gefunden hatte.Nach der Beendigung der Lehrzeit Mies van der Rohes 1958 war nicht einmal die Hälfte der geplanten Projekte verwirklicht. Die einzige Parzelle, die vollständig realisiert wurde, befindet sich an der State Street, und besteht aus der Alumni Memorial Hall, dem Metallurgy and Chemical Engineering Gebäude (Perlstein Hall), sowie dem Chemistry Building (Wishnick Hall). Als nun andere Architekten sein Werk ab 1958 vollenden sollten, regte sich Widerstand von außerhalb. Er selbst fügte der Gesamtplanung jedoch auch Brüche zu, denn durch den Bau der Crown Hall änderte sich der Kontext. Der grundsätzliche Charakter eines auf der Konstruktion basierenden Erscheinungsbilds wurde zwar gewahrt, doch sind Proportionierung des Volumens und die Gewichtung von Materialien gänzlich anders. Im weiteren Verlauf wurden dem Campus von den verschiedensten Architekten mehrere Gebäude hinzugefügt, wie beispielsweise von Skidmore, Owings and Merrill (SOM). Die Einheitlichkeit, die Mies immer propagierte, verlor sich im Lauf der Zeit immer mehr und wich dem eher diffusen Bild des gegenwärtigen Zustands, was allerdings auch an den immer noch zahlreichen Baulücken liegt.

Minerals and Metals Research Institute (1942/43)

Das erste Gebäude, das Mies für den Campus des Armour Institutes baute, war das Minerals and Metals Research Institute (MMRI). Es entstand in Zusammenarbeit mit Holabird & Root Ass. und war Mies' erstes ausgeführtes Gebäude in den USA. Hier entstand ein Prototyp für die späteren Bauten am IIT, daher kann man es wohl als die schwierigste Bauaufgabe am IIT ansehen, denn es mußte eine eigene Formensprache und ein architektonischer Ausdruck gefunden werden, der übertragbar war auf die anderen, später noch folgenden Bauten. Der Entwurf des Campus und des MMRI verliefen großteils parallel zueinander, dennoch war von Anfang an vorgesehen, die übrigen Gebäude nach und nach zu errichten, Mies selbst baute bis 1958 am IIT, also fast 20 Jahre. Allgemein sind die Quellen für das Gebäude der deutsch Industriebau der Vorkriegszeit. Es finden sich auch Parallelen und Kontinuitäten zu seinen eigenen Bauten für die Seidenindustrie in Krefeld (s. S.3f). Das Gebäude befindet sich südlich in Achse des main-building des alten Campus, am Rand zur Bahnlinie. Das Programm forderte eine Versuchsgießerei für die Maschinenbau-Fakultät, dazu benötigte man eine ebenerdige Industriehalle mit angrenzenden Laborräumen. Mies entschied sich für eine einfache Struktur aus Halle mit seitlich angelagerten, neben- und übereinandergeschichteten Laborräumen, der Aufbau ist großteils achsialsymetrisch ausgerichtet zur Mittelachse im 4. Joch. Das MMRI läuft über 7 der 24’-Achsen in Nord-Süd-Richtung, hält hier also das parallel entstandene Masterplan-Raster ein, in Ost-West-Richtung liegen die Maße mit 43’6“ für die Halle und 28’ für den Laborteil nicht im Raster des Campus. Da die Brandschutzvorschriften für das im wesentlichen eingeschossige Bauwerk moderat waren, konnte ein Stahlskelettbau mit offen liegenden Stützen und Trägern errichtet werden. Die Stützen sind in Querrichtung nicht in die raumbildenden Wände eingebaut, die Mauerachsen laufen stets vor den Stützenachsen. Daher erscheinen die Stahl-I-Träger auf der Innenseite der Fassaden und vor der hallenseitigen Innenmauer zu den Labors. Die Konstruktion ist nicht allein aufgrund ihrer Brandschutzanforderungen und der Sichtbarmachung derart ausgebildet, auch die Rohstoffknappheit in der Kriegs- und Nachkriegszeit zwang zu sparsamen, unverkleideten Konstruktionen. Gleiches gilt für alle anderen Bauten. Insgesamt findet eine Beschränkung auf 4 Hauptmaterialien auf: Stahl als Tragstruktur, Sichtmauerwerk als Ausfachung und Raumabschluß, Glas für Belichtung und Fenster und Beton als Verbunddecke. Jedes Material wird seiner Fähigkeit entsprechend genutzt, So tritt Stahl z.B. entsprechend seiner hohen statischen Zug- und Druckbelastbarkeit filigran und konzentriert als Stützen und Träger auf

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Die Nutzung beschreibt sich wie folgt: Im Erdgeschoß befindet sich die 3-geschossige Halle mit Nebenräume unter einer Galerie. Hier liegen kleine Werkräume und ein Traforaum. Auf der anderen Seite sind Laborräume, im Erdgeschoß je drei rechts und links eines zentralen Eingangsbereichs. An den Stirnseiten des Labortrakts befinden sich je ein Treppenhaus mit zweiläufiger Podesttreppe über alle Geschosse. Diese Anordnung direkt an den Gebäudeenden erscheint unsauber und nur aus Sicht begrenzter Fluchtweglängen und eines zweiten Fluchtwegs aus den Obergeschossen gerechtfertigt. Die schon angesprochene Schwierigkeit der außenliegenden Treppenhäusern kommt zum tragen, als Anfang der 50er Jahre ein Erweiterungsbau im Norden angesetzt wird. Das ausgeführte Erschließungssystem läßt Erweiterungen nur schwer zu, die angestrebte Perfektion der Erstplanung läßt den Anschlußpunkt zum Erweiterungsbau sehr ungeschickt erscheinen.Da im zweiten Obergeschoß keine vorgelagerte Galerie vorhanden liegt, entstehen dort gefan­gene Räume. Die Laborräume erstrecken sich über zwei Achsen, die mittlere Achse ist von der Begrenzungsmauer zur Halle hin freigelassen. Hier entsteht eine zusätzliche Belichtung von der Ostseite, außerdem ein gefangener Erschließungsraum zwischen den seitlichen Labors. Ergänzt wird das Raumprogramm in Erdgeschoß durch WCs anschließend an die Treppenhäuser. Ob diese Toiletten nachträglich eingebaut wurden, bleibt unklar, Quellen bemängeln das Fehlen als grobes Defizit des Gebäudes. Die Außenerschließung erfolgt über zwei Tore an einer der Stirnseiten und der östlichen Längsseite, zwei Türen an der selben Seite erschließen die Treppenhäuser direkt. Zwei der Seiten sind ohne Außenerschließung. Im ersten Obergeschoß läuft eine Galerie vor den Laborräumen entlang, die an einer der Stirnseiten mit der breiten Hallengalerie verbunden ist. Diese besitzt eine eigene Erschließungstreppe senkrecht zur Fassade.Dem Bau sind zahlreiche Vorstudien voran gegangen, vor allem was die Ausbildung der Fassaden und die Detailarbeit anging. Dies zeigt, daß es einen langen Weg hin zur Darstellung der klaren Konstruktion gegeben hat und dieser Weg vielfach eine Frage der entsprechenden Betonung war. Was die Querseiten des Gebäudes angeht, stellt sich ein klar offengelegtes Skelett aus Metallstützen und -trägern sowie Sichtmauerwerk im Verband dar. Die Struktur und der Aufbau des Gebäudes ist hier offengelegt, man kann die Halle mit ihrer Galerie, sowie die Laborräume klar in der Lage der horizontalen I-Träger ablesen. Die Halle erhält noch eine Betonung durch die obere Begrenzung mit einem breiten U-Träger. Innerhalb der Mauerwerkswand, die die Halle begrenzt, finden sich kleinere Stützen aus U- und L-Trägern zusammengesetzt, so daß sich ein -Stütze ergibt. Diese -Stützen dienen der Windaussteifung der Wand, sie haben keine konstruktive Bedeutung für das Gesamttragwerk und zeigen dies durch die Unterordnung in der Breite der Stützen. Die Mauerwerksdetails sich außerordentlich sauber geplant, eine schmale Schattenfuge wird zum Träger hin gebildet, hier springt das Mauerwerk auf dem letzten Inch etwas zurück. Auf einer der Querseiten befindet sich ein großes Metalltor abgesetzt von der Stützenkonstruktion im Mauerwerksfeld. Auf den Längsseiten sind die Ost und Westfassaden unterschiedlich ausgeführt. Grundsätzlich arbeitet Mies hier mit einer Verglasung über die Höhe der Fassade. Damit werden auf der Laborseite die Stockwerke überspielt, sie äußern sich lediglich in den U-Trägern auf Höhe der Geschoßdecken, die Räume selbst sind über die volle Höhe verglast. Die Größe der Einzelscheiben mit ca. 1,50m x 75cm auf der Laborseite und ca. 95cm x 55cm auf der Hallenseite ist als eher klein zu sehen, Mies benutzte seit jeher große und größte Scheiben, hier spielt möglicherweise die Materialknappheit der Kriegszeit eine Rolle, Scheiben anderer Gebäude wurden wiederverwendet21. Beide Seiten besitzen einen aufgemauerten Sockel bis in eine Höhe von ca. 2,20m. Dieser läuft vor den Stahlstützen entlang und findet auf der Hallenseite keine Unterbrechung auf der gesamten Länge. Auf der Laborseite wird dieses Band durch die 3 Metalltüren und –tore unterbrochen. Generell ergibt sich durch die Länge der fast 60m lang durchlaufenden Mauer das Problem von Rissen aufgrund der Wärmeausdehnungen. Auf der Hallenseite befinden sich zentrisch in den sechs mittleren Jochen je ein quadratisches, etwa 1,0m x 1,0m großes Fenster.In Vorstudien liegen die Stahlstützen noch in der Mauerachse, damit verbunden sind die Fassaden abweichend ausgebildet. Die Sockelmauer läuft in sechs Einzelstücken zwischen den Stützen. Beide Abschlüsse sind als gemauerte Ecke ausgeführt, die Stirnseite und ihre Begrenzung liegt außerhalb der Stützenachse. Ein Sockel ist am Gebäude nicht vorhanden, es wächst mit seinen Metallstützen direkt aus dem Boden, die zwei Mauerelemente auf den Längsseiten können dennoch als Sockel verstanden werden. Konstruktiv handelt es sich bei der Halle um einen Stahlskelettbau mit Decken als Trägerkonstruktion mit Nebenträgern und Verbundtrapezdecken. Alle Raumabschlüsse sind als Stahlrahmenfenster oder als Sichtmauerwerk in beigem Klinker ausgebildet.Das Mauerwerk ist in einem versetzten Verband gemauert, um flächige Stabilität zu erreichen. Das Beispiel der ähnlich ausgebildeten Maschinenhalle der TU-München an der Luisenstraße zeigt jedoch, daß eine lediglich ausfachende Mauer nicht im Verband gemauert sein muß. Dort liegen –inhaltlich viel klarer formuliert- die Fugen nicht im Versatz, sondern in Folge. Die Nicht-Statik der Wand wird betont. Eine Kranbahn über der MMRI-Halle ergänzt die Konstruktion.  Die Beleuchtung erfolgt über die großen Fensterfronten, hier dürfte es zu massiven Aufheizungen und zu Kältebrücken gekommen sein. Die künstliche Beleuchtung der Halle erfolgt über je 2 Lampen auf halber Höhe in jeder Stützenachse.Die Suche nach klaren Proportionen erscheint bei dem Gebäude nicht sinnvoll. Es handelt sich um einen Rasterbau, bei dem Proportionsanalogien sofort erkennbar sind. So sind etwa die Fensterbereiche in 5x5 bzw. 4x4 Scheiben gegliedert, also die Gesamtproportion gleich bleibt. Im Grundriß ist lediglich eine Proportionsähnlichkeit eines Laborraums zu drei der sieben Joche der Halle erkennbar, aber nicht von Wichtigkeit.

Alumni Memorial Hall 1945-46 (Navy Building)Zusammen mit Holabird & Root Ass. baute Mies das zweite bedeutende Gebäude am IIT. Es basiert auf dem 24' x 24'- Raster des Campusgeländes, besitzt zwei Stockwerke mit einer Höhe von jeweils 12' und zählt drei Joche in der Breite sowie neun Joche in der Länge. Seine primäre Tragstruktur besteht aus einem Stahlgerüst, das aus Feuerschutzgründen mit Beton ummantelt wurde. Da es sich in diesem Fall um ein öffentliches Gebäude handelte, waren die Brandvorschriften strenger als beim Minerals and Metals Research Building.Mies jedoch bevorzugte die sichtbare Konstruktion, da er „...an eine rationale Ordnung in der Architektur als Zeichen einer höheren Wahrheit...“22 glaubte. Die offenbarte Technik eines Gebäudes beziehungsweise deren abstrahiertes Bild nach außen spiegelte für Mies nicht nur den Geist der Zeit wieder, sonder war ein Symbol für die Wahrheit schlechthin.Die ummantelteten Stahlträger konnten dies jedoch nicht mehr leisten und folglich mußte er eine geeignete Architektursprache finden. Die ersten Erfahrungen mit dem Minerals and Metals Research Building hinter sich, konnte er nun das Raffinement und die Grammatik entwickeln, welche sämtliche darauf folgende Bauten auszeichnete, die Alumni Memorial Hall mit eingeschlossen.Er setzt die Fassade als nicht tragende Schicht von verschweißten Stahlteilen der Primärkonstruktion vor. Die Einzelelemente entsprechen den dahinter liegenden Ordnungslinien der Tragstruktur und sind mit Backsteinmauerwerk und Fensterflächen gefüllt. Die Entscheidung, die Klimaschicht in die vordere Ebene zu legen, war bedingt durch den Wetterschutz, den die geringe Dicke der Betonummantelung erforderte. „Die wirkliche Struktur der Alumni Memorial Hall wird also offen gelegt, obwohl sie verdeckt ist. Das, von dem man weiß, daß es da ist, entspricht nicht dem, was man sieht, wird aber durch das Sichtbare verdeutlicht. Mies´ Beweisführung ist umständlich, aber gerade deshalb typisch für ihn:...“23. Einerseits möchte er mit einer Metapher verständlich machen, daß es sich um ein Stahlskelett als Tragstruktur handelt. Zum anderen will er zeigen, daß es sich nur um das Abbild und nicht das Innenleben handelt.Ein Ausdruck dieses Gedanken stellt die Detaillierung der oft zitierten Gebäudeecke dar. Die einbetonierte Breitflanschstütze als Teil der Primärstruktur wird mit einem Winkelblech verkleidet und nach außen offen gelegt. An die Stahlplatte angeschweißt bilden die IPE - Träger der Fassadenhaut eine Hohlfuge, die das Verhältnis der nicht tragenden Klimaschicht und der Konstruktion zueinander verständlich macht. Kurz vor der Bodenebene läßt Mies die Ecke in einer Stahlplatte enden, um einerseits thematisch einen Sockel zu erhalten, andererseits die Ecklösung als eine Metapher für das dahinter liegende zu kennzeichnen.Die Beziehung von Klimaschicht, die gleichzeitig auch raumbildend ist, und Konstruktion verwirrt aber den Betrachter, der das frühe europäische Werk von Mies kennt. Tragstruktur und raumbildende Elemente sind nicht mehr strikt voneinander getrennt. Sie gehen eine enge Symbiose ein, der eine kann ohne den anderen nicht mehr auskommen. „ Im Internationalen Stil aber durchbricht eine autonome Konstruktion einen selbständigen Raum und verhält sich zu ihm eher wie eine Interpunktion als eine bestimmende Form. Der Internationale Stil kennt also die Verschmelzung von Raum und Konstruktion nicht.“24 Trotz der Fugen, die Mies bei seinen Gebäuden zwischen Primär- und Sekundärstruktur einsetzt, findet besonders in der Entwicklung der Innenräume keine außerordentliche Trennung mehr statt, wie sie beispielsweise im Barcelona Pavillon thematisiert ist. Es zeichnet sich also auch an dieser Stelle der Wandel in seinem Werk ab, der schon in den späten europäischen Projekten zu finden ist.Es taucht oft die Behauptung in der Literatur auf, daß dieses oder jenes Gebäude offensichtlich Ähnlichkeiten zu einem Bauwerk Schinkels besitze25. Der Beweis solcher Analogien wird aber nie angetreten. Doch lassen sich sehr wohl direkt nachvollziehbare Parallelen im IIT-Campus finden. Eines der prägnantesten Beispiele ist wohl die Treppenanlage der Alumni Memorial Hall. Die Treppen entsprechen durch ihre Dreiläufigkeit und ihre offene Führung im Raum Vorbildern, die bei Schinkel zu finden sind. Ganz im Gegensatz zu anderen Ähnlichkeiten ist in diesem Punkt eine Beschäftigung mit Schinkels Werk nachweisbar. Zwar handelt es sich bei Schinkel um eine vierläufige, bei Mies um eine dreiläufige Treppe, jedoch ist die Bewegungs- und Blickführung im Raum kongruent. Auffällig ist weiterhin das Vorlegen einer zweiten Mauerschale gegenüber der Außenwand im Treppenbereich. Vermutlich wollte Mies damit den nichttragenden Charakter der Außenwand betonen, in wie weit konstruktive, haustechnische oder sogar kunstgeschichtliche Fragen in diese Entscheidung mit einbezogen wurden, läßt sich nicht mehr nachvollziehen. Allein die vorspringende Betonstütze in der Ecke zur Fassade26 reicht nicht als Begründung für die verhältnismäßig breite Mauerwerksabschrägung aus. Denkbar ist durchaus, das Mies einen neutralen Grund für eine Inszenierung der vertikalen Erschließung einrichten wollte. Die Träger und Fassadenteilungen, die ohne Verblendung durch die zweite Mauerschale hinter der Treppenkonstruktion sichtbar wären, stören die skulpturale Wirkung der Treppe massiv in Maßstäblichkeit und in der Vertikalität des Raums.  Im Inneren der Alumni Memory Hall befand sich bis 1972 eine zweistöckige Halle, in der zwei gegenüberliegende Galerien - ausgeformt wie eine Schiffsbrücke – mit eigenen Vertikalerschließungen eingefügt waren. Sie erinnern an die erste Nutzung als Navy Building. Die Halle hatte den Zweck einer Rüstkammer, in der die Gewehre und Waffen gelagert wurden, die Schiffdecks dienten als erhöhte Standpunkte für die Überwachung. Später wurde der Raum als Gedenkstätte für die gefallenen Mitglieder („alumnis“) des Instituts umgenutzt, bis 1972 eine zweite Deckenebene aus Platzmangel eingesetzt wurde. Bis zur Fertigstellung der Crown Hall waren lange Zeit die Architekturfakultät in der Alumni Memory Hall untergebracht.Das Gebäude tritt nach außen mit seinen Fassaden symmetrisch auf, die Grundrisse sind jedoch nur teilweise symmetrisch. Die Anwendung der Axialität wird noch nicht in dieser Konsequenz durchgehalten wie bei den späteren Bauten des IIT. Die Proportionen sind durch die Rasterstruktur offen gelegt, basieren auf Halb- und Drittelteilung und bedürfen wie bei dem Minerals and Metals Research Building keiner weiteren Anmerkung,In der Fassadengestaltung tritt eine Parallele zur später errichteten Crown Hall auf, so wird bei beiden ein Sichtkontakt nach außen durch geätzte Glasscheiben verhindert, aus welchem Grund dies geschieht, bleibt unklar. Die Fassadenausbildung der Schmalseiten ist unverständlich und würde ein Gebäude erwarten lassen, bei dem eine klare Innensymmetrie herrscht. Die Halle erzeugt aber eine aus der Mittelachse gezogene Erschließung mit verwinkelten Enden in den Kopfbereichen. Weitere Gebäudeplanungen Library and

Administration Building (1944, nicht verwirklicht)

Bei der Library and Administrative Building handelt es sich um ein sehr engagiertes, in der frühen Literatur oft hervorgehobenes Projekt28. Der Entwurf fand bis 1944 statt. Er wurde aufgrund der Stahlknappheit und des Vorrang von Bauten für Institute im kriegswichtigen Bereichen nicht verwirklicht. Vorgesehen war ein geradezu monumentales Gebäude mit einer Größe von ca. 58m x 95m x 9m, basierend auf einem Raster von 64' x 24' x 30', also in der einen Richtung um das 2 2/3-fache bewusst abweichend vom Campusraster (24' x 24'). Die möglichst freie Raumwirkung des gewaltigen Innenvolumens könnte hier eine Rolle gespielt haben. Mies sah die größten einteiligen Fensterflächen vor, die hergestellt werden konnten. Sie sollten fast 20m², nämlich ca. 5,5m x ca. 3,65m (18' x 12') groß sein.29 Ähnlich große Scheiben verbaut Mies später in der Berliner Nationalgalerie. Im Innern arbeitet Mies mit einer rhythmischen Achsfolge in den großen Lufträumen. Im Zentrum des Gebäudes liegt ein quadratischer Innenhof über 3 Achsen. Die 2/3 der Fläche umfassenden Büroräume im Süden besitzen 8' (2,45m) hohe Wände als Boxen eingestellt, nach oben sind sie zum großen Luftraum offen. An zwei Stellen liegen Mezzaningeschosse, eines über die Gebäudebreite und klar als Geschoßdecke in der Fassade ablesbar, das zweite im Innern, vom Raster abweichend und nur an den Innenhof angrenzend. Ein großer, konzentrierter Kern über 3 Achsen, die gesamte Gebäudehohe und ein Geschoß in den Boden laufend übernimmt das Magazin. Mies selbst nennt Vorbilder in der Architektur Berlages und Konstruktionsprinzipien aus der Gotik, nämlich die einachsige Tragwirkung der Stützen. Auffällig ist die Ausformung der Mezzaningeschosse. Sie tauchen nur hier in seinen Projekten auf, Mies weicht von der eher zweidimensionalen Ausformung seiner Bauten ab, entwickelt sich also räumlich weiter und macht das gesamte Innenvolumen für den Besucher erfahrbar.Chapel (1952) 1952 wurde etwas östlich der State Street, nordöstlich vom Commons Building die Kapelle des IIT gebaut. Sie besteht aus einer einfachen Ein-Raum-Halle mit Beschränkung auf ganz wenige Materialien. Man betritt das Gebäude über einen Sockel vor der breiten Glasfront. Im Innern liegt der Kirchenraum mit einfacher Holz-Bestuhlung, aufgesockeltem Altar als Travertinblock und hinter einer Raumtrennung einer Nebenraumzone. In ihr befinden sich ein Eichenholzeinbau und auch ein kleiner, axial angeordneter Nebenzugang, vom Hauptraum nicht zu erkennen. Die Seitenwände sind aus durchlaufenden Sichtmauerwerk gebildet. Auf beiden Schmalseiten ziehen sie sich je eine füntel Fassadenbreite in die Ansicht. Stützen sind beim Bau nicht vorhanden, Metallprofile bilden lediglich die Rahmung für die Glasflächen. Die auf dem Mauerwerk aufliegende Decke besteht aus 4 Hauptträgern, 6 Längsträgern mit aufliegender Trapezverbunddecke. Der Dachabschluß ist als kräftiges U-Stahlprofil ausgebildet. Bis auf die Eingangstür in Edelstahl sind alle Metallflächen dunkel gestrichen. Die Tür markiert damit auf einfache Weise den Zutritt in der Glasfront. Altar und Oberlicht im Eingang sind mit Rohseidenvorhängen hinterlegt, ein Edelstahl-Kreuz hängt über dem Altarblock vor dem Vorhang. Die Beleuchtung übernehmen Deckenleuchten, die in einer Reihe beide Seitenmauern anstrahlen.Auch bei diesem Gebäude hält sich Mies nur bedingt an das Campus-Raster. In der Längsrichtung läuft der Bau über 3 Achsen, in der Querrichtung über 2 2/3, also wieder 64'. In Vorstudien bestand noch eine vollständige Verglasung der Eingangsseite, eine kleine Empore lag oberhalb des Eingangs, außerdem lief das Außenmauerwerk um drei Seiten des Gebäudes und schloß die Rückseite. Die Stützen wurden -wie schon beim Minerals and Metals Research Institute- auf der Innenseite der Mauern geführt und traten auf den Stirnseiten in den Ansichten herv. Vor dem Gebäude bildet im Vorentwurf ein Pfarrhaus zusammen mit der Kapelle einen kleinen Vorplatz. Aus Kostengründen wurde sowohl auf das Pfarrhaus wie auch auf die aufwendige doppelte Tragkonstruktion von Mauer und Stütze verzichtet, statt dessen liegt das Dachtragwerk in der Ausführung direkt auf der Mauerwand auf. Ebenfalls verschwunden ist die kleine Empore. In der Bauausführung hatte Mies größte Not, den Travertin-Block für den Altar zu finanzieren. Bei der IIT-Kapelle handelt es sich um den einzigen sakralen Bau, den Mies in seinem Leben ausgeführt hat. Er zeigt erneut ein in Material und formaler Sprache auf das äußerste reduziertes Gebäude.

Weggang Mies van der Rohes vom IITIm Jahr 1958 beendet Mies seine Lehrtätigkeit am IIT. Er ist mit 72 Jahren auf dem Höhepunkt des Erfolgs, gerade hat er das Seagram Building in New York fertiggestellt. Das IIT löst sich ebenfalls von Mies. Im Rahmen des Masterplans werden Gebäude federführend auch von anderen Architekten geplant. International führt das zu scharfen Protesten, Le Corbusier mahnt die Vorgehensweise des IIT an: Der Campus solle von Mies vollendet werden. Seit 1958 bauen auch andere Architekten, wie etwa Philip Johnson oder Skidmore-Owings-Merrill am IIT-Campus.Was läßt sich zusammendfassend sagen über den Einfluß Mies' auf das internationale Bauen der Nachkriegszeit? „Die Geschichte von Mies´ Architektur in den Vereinigten Staaten hat den allmählichen Ausschluß von allem, was ihm subjektiv und persönlich bedingt schien, zur Folge gehabt. Die Konstruktion allein wird beibehalten, und das Konstruktive wird zu einem Wert an sich, unabhängig von solchen Bedingungen wie der Lage, der Funktion und bis zu einem gewissen Grad auch des Klimas und der Baumaterialien. Raum und Licht, noch weit von einer sorgfältigen Auswertung entfernt, werden unterdrückt als entscheidende architektonische Faktoren.“30. Gleichzeitig verstärkt sich ein klassizistischer Faktor in seinem Werk. Die Bauten basieren auf klaren Rastern und werden symmetrisch angelegt, sowohl was die Situierung der Gebäude zueinander, als auch was die Gebäudegrundrisse angeht.An den IIT-Bauten läßt sich dies besonders erkennen. Die gleiche Formensprache aller Bauten ist trotz ihrer nicht abzustreitenden Qualitäten von Grund auf formal und von äußerster nüchterner Intellektualität gezeichnet. Gleichartige Strukturen von Bauten lassen eine Kapelle formal gleich einer Tankstelle gleich einer Kraftwerkshalle wirken. Die Qualität der Bauten liegt sicherlich in der Vielfalt in dieser Einheit und der Ensemblewirkung, was eben auch den Baumeister und seine Kunst hervorhebt. Eine Kirche als Gotteshaus oder eine Bibliothek als Ort des Wissens sind nicht mehr durch eine besondere Ausformung von Volumen, Detail, Schmuck oder Material hervorgehoben. Man kann diesen Punkt aber auch kritisch sehen.

Heutige Situation und AusblickDas IIT befindet sich heute in einem recht desolaten Zustand. 1997 wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten eingeleitet, dafür stehen 50 Millionen Dollar zur Verfügung. Die Bausubstanz muß von Grund auf renoviert werden. Zum einen ist eine Instandsetzung seit der Bauzeit noch nicht erfolgt, zum anderen ist die Bausubstanz aus formalen Gründen, aber auch aus Gründen der Rohstoffknappheit zur Bauzeit nicht ausreichend ausgelegt für das rauhe Klima in Chicago. Die großen Flächen von Einfachverglasungen werden heute zum Beispiel gegen Doppelverglasungen ausgetauscht.Im selben Jahr wurde ein internationaler Wettbewerb für den Neubau eines IIT- Gebäudes ausgelobt. Daran teilgenommen haben z.B. Helmut Jahn, Sara Hadid und Rem Koolhaas. Gewinner des Wettbewerbs wurde das Projekt von Rem Koolhaas.Erneut soll ein Impuls gesetzt werden für das Gebiet, das seit 1960 wieder an Bedeutung verloren hat. Es ist immer noch ein Slumgebiet mit sozialen Problemen. Wer heute mit der Stadtbahn das IIT besuchen will, wird gemahnt, bloß nicht an der falschen Haltestelle auszusteigen.


Anhang: verwendete Literatur
Werner Blaser, Mies van der Rohe, 4. Auflage - Studio Paperback, Zürich 1986
Werner Blaser, Mies van der Rohe, 6. Auflage - Studio Paperback, Basel/Boston/Berlin, 1997
Werner Blaser, Mies van der Rohe - Lehre und Schule - principles and school, Basel/Stuttgart 1977
Peter Carter, Mies van der Rohe at work, London 1974
Jean-Louis Cohen, Mies van der Rohe, Basel/Berlin/Boston, 1995
Arthur Drexler, Ludwig Mies van der Rohe - Große Meister der Architektur III, New York, Ravensburg 1960
Ludwig Hilberseimer, Mies van der Rohe, Chicago 1956
Philip C. Johnson, Mies van der Rohe, New York 1953
Heinrich Klotz, Mies van der Rohe, Vorbild und Vermächtnis, Chicago 1986
Andreas Papadakis, Mies van der Rohe, European works, London/New York, 1986
Lorenzo Papi, Ludwig Mies van der Rohe- Gestalter unserer Zeit, Florenz/Luzern 1974
Peter Pfankirch, Ludwig Mies van der Rohe, Katalog Ausstellung Berliner Bauwochen 1968, Akademie der Künste, Berlin 1968
David Spaet, Mies van der Rohe - Der Architekt der technischen Perfektion, New York, Stuttgart 1985
Franz Schulze, The Mies van der Rohe Archive - An illustrated catalogue of the Mies van der Rohe drawings, The Museum of Modern Art, Part II, The american work, Bd. 9ff, New York/London 1992
Franz Schulze, Mies van der Rohe - Leben und Werk, Berlin, 1986
Klaus Vierneisel, Der Königsplatz 1812-1988, 1. Auflage, München 1988
Der vorbildliche Architekt, Architekturunterricht 1930-1958 am Bauhaus und in Chicago, Ausstellungskatalog Bauhaus-Archiv, Berlin 1986
Internet: I.I.T.-Homepage (Stand 1998): http://www.iit.edu
Fußnoten
1Schulz, MvdR, Leben und Werk, S. 229 19Schulze, S. 234
2Spaeth, S. 92 21J.L.Cohen, S.88
3Drexler, S.22 22F. Schulz, MvdR Leben und Werk, S.236
4 http://www.iit.edu: “Architectural Highlights of The Main Campus of Illinois Institut“

23F. Schulz, Seite 235

5Cohen, S.81 24Colin Rowe, „Chicago Frame“(1970), Artikel erschienen Archithese 4/1980, S.30
6Blaser,Studio Paperback, S.50f 25vgl. zum Beispiel J.-L. Cohen, S.89
8„... once completed and publicly unveiled, would be demonstrably so superiour to Alschuler´s Beaux-Arts-influenced concept that the latter would be swept away by it.“ (F. Schulz, M.v.d.R Archive, Bd. 8, S.2) 26in der Wishnick-Hall springt die Stütze stark aus der Wandebene hervor, der Treppenhaus-Typus ist bei allen Gebäuden der Planungsphase der gleiche
10Schulz, Mies v.d. Rohe Archive, Bd. 8, S.2 28vgl. P. Johnson, S. 137
11Klotz, S.22 29 lt Glasbau-Atlas ( Institut für Internationale Architektur-Dokumentation, München 1999, S.62) sind in moderner Glasherstellung im Float-Verfahren ab1959 maximale reguläre Scheibengrößen von 320 x 600 cm möglich.
15Schulz, MvdR, Leben und Werk, S. 231 30 Drexler, S. 17
18Schulz, MvdR-Leben und Werk. S. 230